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Selbst sicher? Sich selbst vertrauen?

Immer wieder reden wir von Selbstsicherheit und Selbstvertrauen, es sind Worte, die wir so selbstverständlich dahinsagen. Wie geht es uns aber wirklich dabei, besser gesagt, wie gehen wir mit diesen Begriffen um, können wir sie annehmen?

Ich denke, die erste Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie wir uns selbst empfinden. Als Schwerhöriger, der mit sich und seiner Umwelt hadert, weil die Kommunikation auf beiden Seiten einfach nicht funktionieren will. Zum Selbstsein gehört aber die Empfindung, ein Angesprochener zu sein, nicht bloß einer, der mit den notwendigen Informationen „versorgt“ wird, sondern einer, dem man Sprache, Ansprache und Zusprache schenkt, laufend und scheinbar fast nebenbei. „Ich höre, also bin ich“ nennt Joachim-Ernst Berendt ein ganzes Buch, wie viel wir hören, davon ist nicht die Rede.

Als schwerhörige Menschen haben wir also mit unserem Selbstsein ein gehöriges Problem, es sei denn, wir nehmen unsere Einschränkungen in allen Details bewusst wahr und versuchen damit umzugehen. Nämlich zur Kenntnis nehmen, dass zu meinem Selbstsein auch das Unvollkommene gehört, eben eine holprige und in vieler Hinsicht bruchstückhafte Kommunikation mit dem Mitmenschen. Nur dieses Annehmen und das sich daraus ergebende Bemühen, diesen Umstand auch in die ständige Kommunikation mit herein zu nehmen, die Mitmenschen darauf hinzuweisen, sie um das Entgegenkommen bitten, selbst Lösungsvorschläge zu Verbesserung einbringen, kann mein Selbst vor einer langsamen Zerstörung retten, die mich von der Umgebung immer mehr abschirmt.

Nur wer sich sein Selbstsein als Behinderter in dieser Weise erarbeitet und eigentlich ständig darum bemüht ist, der kann sich auch die Sicherheit im Umgang schaffen trotz aller bleibenden Einschränkung. Wer sicher sein will, der muss sein Selbstsein gestalten, darauf kann ich mich dann eines Tages auch verlassen, diese Sicherheit seiner Selbst mag für uns alle ein langer Weg sein, aber wenn wir es nicht für uns tun, werden wir es niemals von anderen erwarten können.

Ich denke sogar, dass unsere Appelle an die Öffentlichkeit, doch uns Schwerhörige wahrzunehmen, nur dann Erfolge zeigen werden, wenn wir uns selbst sicher geworden sind und diese Sicherheit anderen spürbar vermitteln. Sicher insofern, dass wir mit unserer Behinderung leben wollen und können. Sicher insofern, weil wir erfahren haben und wissen, dass nicht unsere Person, sondern eben unsere Kommunikation behindert ist. An dieser Verbesserung zu arbeiten, indem wir uns mit der Behinderung ins Spiel bringen, dass mag schon ein wesentlicher Schritt sein, seiner Selbst sicher zu werden bzw. zu sein, weil ich mit mir und meinen Mitmenschen umzugehen weiß.

Von dieser Selbstsicherheit aus entsteht wohl auch die Brücke zum Selbstvertrauen, der, der weißt, was er ist und schafft, der kann sich vertrauen, das es morgen und übermorgen auch wieder gut gehen wird. Ohne die ständige Angst im Nacken, vielleicht doch nicht jene Anerkennung zu finden, die er wünscht und erwartet.

Wer ins sich ruhen gelernt hat, wer sich mag, so wie er ist, mit allen Einschränkungen, der braucht sich nicht mehr vor anderen fürchten, weil er nicht wartet, was kommt, sondern sich selbst einbringt, nicht auf Sprache und Ansprache wartet, sondern selbst ein Sprechender und Handelnder wird.

Wer sich selbst annimmt und eigentlich ganz gerne hat, der wird auch von den anderen so gesehen werden – selbstsicher und voller Vertrauen zu sich selbst.

Ich wünsche es Euch allen von Herzen

Hans Neuhold