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Sprache, um gehört zu werden

Gerade als Schwerhörige sind wir im ständigen Kampf zu hören und zu verstehen, wir fühlen, dass wir, wo immer wir sind, Außenstehende sind, nicht mehr dazugehören, keinen Anteil haben am Geschehen rund um uns.

Viele von uns nehmen in diesem Zusammenhang kaum wahr, dass sich auch ihre Sprache aufgrund des mangelhaften Verstehens verändert, unklar und undeutlich wird. Wir hören uns selbst eben anders und wissen sehr oft nicht, wie unsere Sprache auf andere wirkt. Daher denke ich, dass nicht bloß das Nicht-Hören und das Nicht-Verstehen ein Ausschlussfaktor in einer Gemeinschaft ist, sondern eben auch unsere eigene Sprache, die nicht in dem von uns gewünschten Maße wohltuend bei anderen ankommt. Das ist das eine Problem, dem wir, meiner Meinung nach, viel zu wenig Bedeutung schenken.

Es gibt immer noch viel zu wenige schwerhörige Menschen, denen bewusst ist, wie sehr man sein eigenes Hören trainieren muss und natürlich auch das Verstehen. Auf Technik allein kann man dabei nicht zählen, diese ist maximal die notwendige Ausgangsbasis. Ebenso ist in diesem Zusammenhang das eigene Sprachverhalten und die Ausdrucksfähigkeit von immenser Wichtigkeit, denn je besser ich höre und verstehe, desto eher bin ich in der Lage, meine eigene Sprache zu kontrollieren und zu verbessern. Also besteht zwischen Hören und Sprechen ein unmittelbarer Zusammenhang, wie uns aus vielen Fachartikeln durchaus bekannt sein dürfte.

An der Verbesserung der eigenen Sprache zu arbeiten bedingt demnach die Verbesserung der Hörfähigkeit und umgekehrt.

Aber mit Sprache, Ausdruck und Sprechverhalten meine ich noch etwas anderes:

Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass das Angesprochenwerden für den Menschen von seiner frühesten Kindheit an von größter Bedeutung ist, damit verbindet sich die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit und die Entfaltung zum selbstständigen Menschsein. Im späteren Leben aber zeigt sich daraus wiederum eine Wechselwirkung zwischen Ansprechen und Ansprache. Wer sich kaum aktiv zu sprechen getraut, wer in seinem Sprachverhalten unsicher und undeutlich wirkt, verliert auch zunehmend die Chance angesprochen und wahr genommen zu werden.

Ich denke daher, dass diese Tatsache das Leidenspotential schwerhöriger Menschen durchaus erhöht. Das Nicht-Hören lähmt unsere Sprache und lässt uns mehr und mehr auf uns selbst zurückfallen.

Auch auf die Gesellschaft bezogen, bedeutet dies, dass sich immer nur wenige Schwerhörige in das Geschehen einbringen, damit passiert es uns allzu oft, dass für uns gesprochen wird und wir selbst als unbedeutende und schweigende Mehrheit zurückbleiben. Die Gesellschaft nimmt uns nur dann wahr, wenn wir aktiv und sprechend unsere Bedürfnisse äußern und in diesem Sinne „ansprechend“ wirken.

Mein eigenes Erleben ermuntert mich, allen meinen Mitbetroffenen Mut zu machen, für ein besseres Hören und zugleich an der eigenen Sprache zu arbeiten. Die Hilfe von außen kommt nicht von selbst, wir müssen sie ansprechen – immer von Neuem und möglichst prägnant

meint Ihr

Hans Neuhold