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Es gibt ein Recht: sich zu sich selbst bekennen
Dies Recht schließt alles andre ein;
Und die Pflicht: das Unrecht niederrennen,
und wär’ es auch ein harter Stein,
an dem die eigne Kraft zerschellt.
Wir sterben alle! Wie man lebt,
das fragt, das braucht der Acker Welt,
und dass man seine Furche gräbt.
Nur der pflügt tief, der Neues sucht,
dem Sehnen seiner Seele treu.
Wenn ihn die Zeit deshalb verflucht?
Das ändert nichts. – Die Welt wird neu.

Der junge Dichter dieser Zeilen, Richard Zach aus Graz wurde 23jährig am 27.1.1943 vom Naziregime in Berlin hingerichtet. Ich habe dieses Buch, in dem einige seiner Kassibertexte gesammelt wurden, unlängst zufällig in Linz entdeckt und ich habe genau so zufällig diese obigen Zeilen aufgeschlagen. Sie haben mich berührt und mich weiter denken lassen.

Ich habe in diesem Text so vieles von meinem und vom Behindert-Sein allgemein entdecken können, von dem, was mich dennoch aufstehen lässt und was mir Mut macht, das Neue zu suchen.

Wenn einer in der Haft, das Sterben vor Augen, solche Zeilen schreibt, dann spüre ich, was das Leben ist: Das Recht, sich zu sich selbst bekennen….. aber auch den zweiten Schritt: das Unrecht niederrennen.

Unser Behindertsein mag uns oft Kerker sein, eine Zelle der Hoffnungslosigkeit, weil wir rund um uns fühlen, wie wenig wir noch dazugeHÖREN. Das schmerzt, aber sollte es nicht zugleich uns eine Frage sein, wie wir leben und was wir selbst tun? Das was wir tun, was immer wir tun, sollte eine tiefe Furche sein, aus der heraus Neues wachsen kann, für mich und andere Betroffenen.

Jede Veränderung und jede Verbesserung bedarf der Menschen, die nicht bloß das Heute sondern eine Zukunft sehen. Menschen, die keine Scheu davor haben, schief angesehen zu werden, sondern die einen Weg gehen, der vermutlich erst im Gehen erfahrbar ist und gangbar wird. Und damit anderen Mut machen, aus ihrem Gefangensein auszubrechen.

„....das ändert nichts…die Welt wird neu.“

Dieser Satz, für den ein junger Mensch selbst den Tod in Kauf nahm, macht meine Situation erträglicher denn je und spornt mich an, auch weiterhin recht „tief zu pflügen“, um wenigstens ein kleinwenig neu zu machen. Unnütz, zu denken, ob ich damit Lobeshymnen ernte, denn dafür lebe ich nicht.

Hans Neuhold